Estland, Lettland, Litauen - schon in der Schulzeit kann wohl jeder die drei Ländern des Baltikum nennen. Bei der korrekten Zuordnung der Hauptstädte Tallinn, Riga und Vilnius sieht es schon etwas schlechter aus. Und als Reiseziel steht die Region an der Ostsee mit insgesamt rund sechs Millionen Einwohnern für Frau und Herrn Österreicher schon gar nicht an den vordersten Stellen.
Das ist eigentlich schade, hält das Baltikum doch allerhand wunderschöne und spannende Gegenden und Städte bereits, bei denen sich eine genauere Betrachtung und Erkundung auf jeden Fall lohnt. Dazu gehört auch Tallinn, die Hauptstadt Estlands. ReiseInsider hat sie sich im Winter angesehen.
Bunte Historie
Zuerst ein wenig Geschichte: Die Ursprünge Tallinns - das früher auch unter dem Namen Reval bekannt war - gehen vermutlich auf einen Handelsplatz und Hafen zurück, der im 11. Jahrhundert gegründet wurde. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte prägten deutsche, dänische, russische und schwedische Herrschaften die Stadt.
Erst 1918 wurde Estland unabhängig, bevor es 1940 in die Sowjetunion einverleibt wurde und dort bis zur erneuten Autonomie im Jahr 1991 verblieb. Die mit Russland verbundene Geschichte zeigt sich auch heute noch am hohen Anteil von rund 45 Prozent von Bewohnern, deren primäre Sprache Russisch ist.
Unter- und Oberstadt
Die lange Geschichte Tallinns zeigt sich am Stadtensemble - insbesondere an der pittoresken (und instagramablen) Altstadt, die aus der Unter- und Oberstadt besteht. Das Zentrum ersterer bildet der Rathausplatz (Raekoja plats) mit dem gotischen Rathaus aus dem 13. Jahrhundert. Dieser erinnert aufgrund der Form mit dem hohen und spitzen Turms am Kopf des Gebäudes übrigens eher an eine Kirche als an ein Kommunalgebäude.
Für Reisende ist es am besten, sich in den kleinen Gässchen einfach zu verlieren (Google Maps ist hier übrigens sehr hilfreich) und viele entzückende Winkel der Unterstadt kennenzulernen - darunter einige Kirchen oder auch die Reste der Stadtmauer mit ihren imposanten Wehrtürmen. Wer bei einer Stadtwanderung eine Pause braucht, kann auf nette Kaffeehäuser zurückgreifen, für die Tallinn ebenfalls bekannt ist - ein eher alternativ-moderner Vertreter ist das Kohvik ("Kaffeehaus") Must Puudel.
Domberg mit tollen Ausblicken
Die erwähnte Oberstadt liegt auf dem Domberg mit gleich zwei großen Kirchen: Zum einen der namensgebende evangelische Dom, der ab dem 13. Jahrhundert errichtet wurde. Zum anderen die erst rund 125 Jahre alte russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale, die vom Stil her genauso gut in Moskau stehen könnte. Daneben befindet sich das Schloss, das heute als Parlamentssitz dient.
Ebenfalls in der Oberstadt stehen noch die Reste der mittelalterlichen Burg - aber auch einige repräsentative Häuser, die unter anderem als Regierungs- oder Botschaftsgebäude genutzt werden. Was man bei einem Besuch des Dombergs auf keinen Fall verpassen sollte, sind die beiden Aussichtspunkte Patkuli (Google Maps) und Kohtuotsa (Google Maps), die unvergleichliche Ausblicke auf Tallinn erlauben. Eine Route, die wir hier empfehlen können beginnt mit dem Aufstieg über die Straße Pikk jalg, geht an der Alexander-Newski-Kathedrale, dem Schloss und der Toomkirik vorbei in Richtung der beiden Aussichtsplattformen - zurück in die Unterstadt geht es dann über die Patkuli-Stiege.
Per pedes
Auch Kulturinteressierte können in der estnischen Hauptstadt aus dem Vollen schöpfen: Kleine Gallerien und interessante Museen - darunter das weltbekannte Fotografiemuseum Fotografiska oder das aus mehreren Gebäuden bestehende Eesti Kunstimuuseum findet man hier. Liebhaberinnen und Liebhaber klassischer Musik dürften sich in der Oper Tallinn oder beim Estnischen Symphonieorchester wohlfühlen.
Sich in Tallinn zu bewegen, ist denkbar einfach - vieles geht hier zu Fuß: Die gesamte Unter- und Oberstadt sind leicht in relative kurzer Zeit per pedes zu erreichen. Für mobilitätseingeschränkte Reisende ist die estnische Hauptstadt allerdings weniger gut geeignet: Kopfsteinpflaster allerorts und die Steigung (bzw. Stufen) auf den Domberg stellen Hindernisse dar.
Gutes Essen und ein schwarzer Schwan
Kulinarisch bietet Tallinn übrigens auch so einiges: So findet man von der Nordic Cuisine inspirierte Lokale genauso wie vegane Restaurants. Aufgrund der Nähe zu Russland entdeckt man beispielsweise auch Blinis und Kaviar auf so manchen Speisekarten. Besonders empfehlen können wir das kleine Restoran Spot mit nordischer Fusion-Küche vom Feinsten und das elegante (und entsprechend teure) Restoran Tchaikovsky im Telegraaf Hotel, das eine Symphonie der russischen Küche bietet.
Eine witzige Besonderheit findet sich dort: Die Tische sind mit weißen Schwan-Servietten gedeckt. Auf einem einzigen Platz im Restaurant befindet sich - frei nach dem Ballett Schwanensee des namensgebenden russischen Komponisten - ein schwarzer Schwan. Und wenn wir schon beim Essen und Trinken sind: "Prost!" heißt auf estnisch "Terviseks!".
Fazit
Kurz zusammengefasst: Tallinn ist eine wirklich sehenswerte Destination, in der man ein paar schöne und interessante Tage verbringen kann. Ein wunderbares Stadtensemble kombiniert mit einer reichen Kulturlandschaft und als i-Tüpfelchen einer spannenden Kulinarik findet man hier die Ingredienzen für einen gelungenen mehrtägigen Trip.
ReiseInsider-Tipps:
Anreise
In der Regel wird man mittels Flugzeug in Tallinn anreisen. Der Flughafen Lennard Meri ist nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Von Wien aus kommt man mit einmaligem Umsteigen in Riga mit Air Baltic unkompliziert und schnell nach Tallinn (eine Review zu Air Baltic finden Sie hier). Vom Flughafen zum Hotel nimmt man sich am besten ein Taxi - die kurze Fahrt in die Innenstadt sollte das Urlaubsbudget nicht sprengen.
Wer in Tallinn selbst weitere Strecken zurücklegen möchte, kann ebenfalls auf Taxis oder auch auf Uber setzen. Bei ersteren gibt es mehrere Taxigesellschaften mit unterschiedlichen Tarifen. Uber funktioniert an sich gut - die Wartezeiten sind teilweise etwas länger als in größeren Städten. Teile der Innenstadt sind übrigens für Autos - einschließlich Uber - weitgehend gesperrt. Hier muss man sich zu einem Meeting Point am Rande der City begeben. Es gibt außerdem ein Straßenbahn- und Busnetz, das einen auch zu vielen wichtigen Punkten der Stadt bringen kann.
Hotels
In Tallinn findet man eine durchaus reichhaltige Hotellandschaft - wir empfehlen jedenfalls ein Haus in der Altstadt zu nehmen. Nicht viel falsch machen kann man mit dem bereits erwähnten Telegraaf Hotel, einem sehr zentral gelegenen Fünf-Sterne-Hotel der Autograph Collection aus dem Hause Marriott. Nur ein paar Schritte weiter befindet sich das Schlössle Hotel (ja, das heißt wirklich so!), ein Mitglied er Leading Hotels of the World. Dieses wurde in einem uralten Gebäudearrangement in der Unterstadt errichtet - und sieht extrem urig aus.
Reisezeit
Nach Tallinn kann man grundsätzlich zu jeder Zeit reisen. Bedenken sollte man allerdings, dass es im Winter ziemlich kalt und auch recht dunkel ist - immerhin befindet man sich in etwa auf der gleichen geographischen Breite wie Oslo oder Stockholm. Dies hat allerdings einerseits durchaus einen ganz speziellen Charme, andererseits ist deutlich weniger los als in der wärmeren Jahreszeit. Warme Kleidung darf man allerdings nicht vergessen!
Deutlich angenehmer sind die Temperaturen jedenfalls von Mai bis September: Hier darf man sich im Durchschnitt während des Tages über 15 bis 20 Grad freuen. Die sommerlichen Monate stellen aber auch die Hauptsaison dar - mit entsprechend höherer Anzahl an Touristen und angepassten Preisen.
Shopping
Abgesehen von Einkaufszentren mit den hinlänglich bekannten Standard-Shops kann man in Tallinn auch schöne und häufig handgemachte regionale Waren einkaufen. Sehr empfehlenswert ist das Eesti Esindus, wo man unter einem Dach vielfältiges estnisches Kunsthandwerk findet. Ein paar Schritte daneben (links vom Geschäft) gibt es einen kleinen Rimi-Supermarkt, wo man beispielsweise estnische Schokolade kaufen kann.
Spezial-Tipp Helsinki
Eine Reise nach Tallinn kann man ganz wunderbar mit einem Ausflug nach Helsinki verbinden. Mehrmals täglich sind Schnellfähren zwischen den beiden Städten unterwegs - ganz optimal, um einen Tag (oder auch länger) in der finnischen Hauptstadt zu verbringen. Manche der riesigen Tallink-Schiffe benötigen nur rund zwei Stunden für die Überfahrt.
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