Die angesehene "New York Times" hat kürzlich in ihrer Onlineausgabe einen Bericht über das touristisch gesehen, wohl unbekannteste Land Europas veröffentlicht. Das 3,1 Millionen Einwohner zählende Land wurde darin als einen der "Best Places to Visit in 2018" gepriesen. Für die Destination zählen neben den relativ niedrigen Reisekosten eine weitgehend intakte Natur, großartige Weine und wenige - dafür aber umso interessantere - Sehenswürdigkeiten.
Moldawien verfügt über kaum nennenswerte Industrie, jedoch über gewaltige Weinanbauflächen. Das Land zählt seit den 1950er Jahren zu den größten Weinproduzenten der Welt. Seit Jahren arbeitet man daran, den moldawischen Wein - der bislang hauptsächlich in Osteuropa vermarktet worden ist - international bekannter zu machen. Zahlreiche revolutionäre Projekte im Weintourismus sollen zukünftig kaufkräftige Touristen ins Land bringen.
So nah und doch so fern
Gerade einmal 940 Kilometer Flugstrecke liegen zwischen Wien und der moldawischen Hauptstadt Chisinau. Das entspricht in etwa der Entfernung von Wien nach Köln. Doch während die deutsche Stadt am Rhein jedem bekannt ist, hat der durchschnittliche Österreicher keine Ahnung von Moldawien.
Auch wenn die bevölkerungsreichste Stadt des Landes mit ihren 700.000 Einwohnern nur über eine begrenzte Anzahl an Sehenswürdigkeiten verfügt, so sollte man sich dennoch genügend Zeit für einen Besuch in Chisinau nehmen. Zahlreiche Prachtbauten wie das alte Rathaus, das St. Theodor Kloster mit seinen goldenen Kuppeln, der Triumphbogen oder die vielen Parks der Stadt laden zum Verweilen ein. Bei einer Fahrt durch Chisinau fallen dem europäischen Besucher sofort zwei Dinge auf: Erstens, wie gepflegt und sauber die Stadt ist und zweitens die großflächigen Parkanlagen. Natürlich ist auch in der Hauptstadt des Landes die generelle Armut erkennbar, doch im Vergleich zu anderen osteuropäischen Städten wirkt Chisinau aufgeräumt und gepflegt.
Die Anreise in die moldawische Hauptstadt Chisinau ist einfach und bequem. Neben Austrian Airlines verkehrt auch die günstigere Air Moldova zweimal wöchentlich zwischen Österreich und Moldawien. Ein Air Moldova Ticket kann bereits um preiswerte 200 Euro gebucht werden und beinhaltet neben 23 Kilogramm Freigepäck auch inkludiertes Catering. Der Flug mit der staatlichen Fluglinie überrascht positiv, denn während die meisten der großen europäischen Airlines beim Essen sparen, erhält man an Bord von Air Moldova zumindest noch ein kostenloses Sandwich, Getränke und sogar moldawischen Wein geboten.
Wer Cricova nicht gesehen hat, war nicht in Moldawien
Das 1952 gegründete staatliche Weingut Cricova ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und sollte auf alle Fälle Teil einer Moldawien-Reise sein. Gerade einmal 15 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt gelegen, zählt dieses Weingut, das über ein 100 kilometerlanges Stollensystem verfügt zu einer der großen Touristenattraktionen des Landes. Dank des milden Klimas wurde Moldawien zu Zeiten der Sowjetunion zum größten Weinproduzenten des "Roten Reiches". Obwohl Cricova Weine auch immer schon in hoher Qualität produziert wurden, war es für das Sowjetreich vor allem wichtig, möglichst große Produktionsmengen geliefert zu bekommen. Diese Massenware war nicht immer von besonderer Qualität. Spätestens jedoch seit dem sich das Unternehmen am internationalen Markt behaupten muss, werden nur noch Weine in höchster Qualität produziert die bereits mehrfach internationale Auszeichnungen erhielten. Waren früher osteuropäische Länder die größten Abnehmer für Weine aus Cricova, so wird heute das bekannte moldawische Nationalprodukt in die ganze Welt verkauft.
Seit dem Jahr 1998 bietet man mehrsprachige Führungen (www.cricova.md/en) durch die Produktionsanlagen an. Eine Tour durch den größten Weinkeller der Welt, beginnt mit einer Fahrt in einem elektrischen Caddie durch das kilometerlange Tunnelsystem. Bei verschiedenen Stopps erhält man einen Einblick in die Produktion diverser Wein und Sektsorten. Diese Führungen, die knapp 80 Meter unter der Erdoberfläche stattfinden und in mehreren Sprachen angeboten werden, beinhaltet natürlich auch eine Weinverkostung in einem der zahlreichen unterirdischen Festsäle. Nachdem Cricova ein staatliches Unternehmen ist, werden Staatsgäste und berühmte Persönlichkeiten, gerne dorthin eingeladen. Zu diesen Persönlichkeiten zählte auch der erste sowjetische Kosmonaut Jury Gagarin. Der Geschichte nach zufolge hat sich dieser während seines Besuches in dem weit verzweigten Tunnelsystem "verlaufen". Der eigentliche Grund für den zweitägigen (!) Aufenthalt unter Tags, dürfte aber eher am zu starken Alkoholkonsum gelegen sein...
Mimi Castle, ein Weingut der Superlative
Nach einer knapp einstündigen Fahrt von Chisinau, vorbei an Dörfern und brachliegende Feldern, erreicht man das Weingut Mimi Castle. Das im Jahr 1901 von Constantine Mimi errichtete Schloss ist ein architektonisches Meisterwerk in einer Landschaft, die eigentlich keine Überraschungen erwarten lässt. Nach einer mehr als turbulenten Geschichte, die während des Kommunismus ihren Höhepunkt fand, arbeitet man seit dem Jahr 2011 am millionenschweren Wiederaufbau des architektonischen Juwels.
Neben dem Weingut, das Weine in einer ausgezeichneten Qualität produziert, wird gerade an der Errichtung von Hotelzimmer und exklusiven Bungalows auf Fünf-Sterne-Niveau gearbeitet. Zwar ist der Weintourismus ganz allgemein nur ein Nischenprodukt, doch Weinsammler und Liebhaber des edlen Tropfens sind gerne bereit, für eine entsprechende Qualität tief in die Tasche zu greifen. Die Errichtung eines großen Spa-Bereichs mit Außenpool soll internationale Weinliebhaber ansprechen und das Schloss mit neuem Leben füllen. Die Miete der Luxusbungalows soll, nachdem Sie im heurigen Winter fertig gestellt sind, an die 200 Euro pro Nacht kosten.
Das großartige Ambiente von Mimi Castle bietet zusätzlich auch die Möglichkeit zur Abhaltung von Firmenpräsentationen oder Hochzeitsfeiern. Zu den Highlights des Hauses zählt sicherlich auch das "White Owl" Restaurant, in dem traditionelle moldawische Speisen aus eigenem biologischem Anbau zu wahren Schlemmerträumen verwandelt werden. Das "White Owl" zählt zu den fünf Top- Restaurants Moldawiens. Das Gesamtkonzept von Mimi Castle (Weinproduktion, sowie Weintourismus mit Hotel & Restaurantbetrieb) ist in Moldawien, das als eines der ärmsten Länder Europas gilt, einzigartig.
Führungen durch das Schloss mit seinen Weinprodukten und anschließender Verkostung, können bereits ab 25 Euro (www.castelmimi.md/en_excursii.html) gebucht werden.
Wie der Zufall oft spielt
Bei einer Reise durch das Land trifft man auf freundliche und offene Menschen. Zwar ist die Kommunikation nicht immer ganz einfach, aber mit etwas Glück macht man Bekanntschaften der besonderen Art. Petru Constin ist eine dieser Personen, die über das Land hinaus bekannt sind. Der Ex-General, der mehr als 40 Jahre Militärdienst geleistet hat und als der höchst dekorierte Militärangehörige des Landes gilt, hat in seiner Datscha, ein unglaubliches Sammelsurium an Gegenständen aus dem sowjetischen Reich zusammen getragen. Neben mehr als 600 Militäruniformen, stehen in seinem Garten, in dem nur ein Bruchteil seiner Sammlerstücke ausgestellt ist, mehr als 30 Leninstatuen und eine Auswahl an ehemaligen Militärhubschraubern. Auf den weiten Grünflächen des privaten Anwesens finden sich auch noch historische Fahrzeuge sowie der größte Doppeldecker der Welt, eine sowjetische Antonov 2.
Die abblätternde Bemalung des Flugzeuges zeugt sowohl vom Einsatz bei der früheren Aeroflot vor der Unabhängigkeit des Landes, als auch vom Betrieb bei Air Moldova die es nach dem Zerfall der Sowjetunion übernommen hat. Dieser Spielplatz für Erwachsene ist einmalig, Zugang erhält man nur durch eine persönliche Einladung auf das private Grundstück.
Constin Petru seit dem Jahr 2011 außerdem noch "Guinness Book of Records" Halter in der Kategorie, "Größte Sammlung von Pferdehufeisen". Die verliehene Urkunde dient heute als begehrtes Fotoobjekt bei den seltenen Besuchen ausländischer Gäste. Auf die umfassende private Sammlung sowjetischer Zeitgeschichte, wird gerne auch von internationalen Museen zurückgegriffen.
Die "New York Times" hat recht: Besucher des Landes werden angenehm überrascht sein was das Land alles zu bieten hat...
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