Das alte Jahr ist gerade zu Ende gegangen, da machen sich viele mit neuen Vorsätzen auf ins frische 2023. Dabei werden gerne Pläne geschmiedet - unter anderem natürlich auch solche, wohin die Reise gehen soll. Und das auch im gar nicht übertragenen Sinne.
Doch wie sieht das eigentlich aus mit dem Reisen? "Dürfen" wir das überhaupt noch? In einer Zeit von Krieg, Wirtschaftskrise und Klimawandel? Die Reiseindustrie ist natürlich - wie fast immer - voller Optimismus und berichtet von steigenden Buchungszahlen. Airlines ordern zusätzliche Flugzeuge, Kreuzfahrtlinien Schiffe - und an allen Ecken und Enden lesen wir von neuen und spannenden Hotels.
Krisen, Krisen, Krisen
Auf der anderen Seite stehen die Warner, die demonstrieren, Gemälde mit Suppe beschütten, Flightshaming betreiben oder sich auf Straßen kleben um ihre Verzweiflung in Bezug auf den Klimawandel mitzuteilen. Daneben erreichen uns täglich furchtbare Bilder aus der Ukraine (und wenn man genau schaut auch von anderen weniger prominenten Krisenherden). Ganz abgesehen davon versprühen die Wirtschaftsdaten und die drückende Inflation auch nicht gerade Optimismus.
All das sind Faktoren, die eher pessimistisch stimmen, was die Reiselust betrifft. Aber soll man deshalb gar nicht mehr in ein Flugzeug, Schiff, Auto, einen Bus oder Zug steigen? Diese Frage kann man nur differenziert beantworten. Ein ganz wichtiger Punkt scheint zu sein, dass das Reisen an sich oft etwas sehr positives ist - und zwar deswegen, weil man lernt. Menschen, Kultur, Flora und Fauna - in Bezug auf all diese Dinge sollte man ab und zu über seinen eigenen Horizont hinaussehen.
Verständnis durch Reisen
Gerade, wenn man die Besonderheiten aber auch Probleme anderer Regionen und derer Leute dort hautnah kennenlernt, steigt oft das Verständnis dafür. Reisen kann also - wenn man es richtig anlegt - zur Annäherung an Gegenden führen, die wir sonst vielleicht nur abstrakt und entfernt vom Bildschirm des Smartphones "kennen". Natürlich ist es in diesem Zusammenhang notwendig, sich auf eine andere Region auch einzulassen. Wer zwei Wochen hinter den Mauern einer Clubanlage in Kenia verbringt, wird nicht viel von Land und Leuten mitbekommen.
Ein ganz "banaler" - aber deswegen auch nicht unwichtiger - positiver Aspekt ist jener, dass der Tourismus in vielen Regionen die wirtschaftliche Lebensgrundlage vieler Familien darstellt. Reisende bedeuten also gerade in ärmeren Ländern eine sehr willkommene und notwendige Einkommensquelle für die dort Lebenden.
Ohne Flugzeug geht es (fast) nicht
Auf der anderen Seite ist aber gerade der Klimawandel eine Tatsache, die man nicht ignorieren darf: Gerade das Flugzeug ist hier - trotz alle Beteuerungen, dass man ja "nur" drei Prozent der Treibhausgase emitiere - nicht gerade ein Musterschüler. Ganz abgesehen davon, dass die Flieger kostbares Kerosin verbrauchen - bis dies in großen Mengen wirtschaftlich vertretbar aus nachhaltiger Produktion erzeugt werden kann, wird noch längere Zeit vergehen.
Trotzdem ist man aber in vielen Fällen aufs Flugzeug angewiesen - vor allem, wenn man einen anderen Kontinent besuchen möchte. In Europa fährt man mitunter auch schon längere Strecken recht bequem mit der Bahn. Allerdings können beispielsweise die Nightjet-Züge der ÖBB von der Frequenz, Kapazität und leider oft auch dem Preis mit dem Flieger nicht mithalten. Aber das alles ist ja nicht in Stein gemeißelt.
Bomben und Raketen
Man sollte sich daher grundsätzlich überlegen, ob eine bestimmte Reise sinnvoll ist, welche Transportalternativen es gibt und wie man den Ausstoß an Treibhausgasen so gut wie möglich kompensieren kann. Grundsätzlich - und nicht nur beim Reisen sondern auch im täglichen Leben - ist es ja auch wichtig, immer wieder über Maßnahmen nachzudenken, seinen eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Und dies natürlich auch umzusetzen.
Dann gibt es natürlich noch andere Fragen, die hinsichtlich des Reisens im Jahr 2023 wichtig sind: Darf man mit gutem Gefühl reisen, wenn ein paar hundert Kilometer östlich Bomben und Raketen einschlagen? Und kann man es überhaupt, wenn die Preise hierzulande in exorbitante Höhen steigen?
Eine Frage des Geldes
Zum ersten Punkt: Hier muss man sich fragen, warum man jetzt nicht reisen "darf", nur weil der Krieg in der Nachbarschaft stattfindet. Schließlich gibt es in vielen anderen Ländern rund um den Globus kriegsähnliche Zustände, die uns im friedlichen Mitteleuropa nicht so betreffen. Reisen wir aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen etwa im Jemen, in Zentralafrika oder in Myanmar nicht mehr? Oder hat uns der Syrienkonflikt bisher davon abgehalten, in ein Flugzeug zu steigen? Diese Frage kann man so im Raum stehen lassen - das muss jeder für sich entscheiden.
Der andere Punkt stellt natürlich ebenfalls ein nicht unwichtiges Thema dar: Ob bei Frau und Herrn Österreicher im heurigen Jahr genug fürs Reisen im Börserl bleibt, wird gerade für die Reiseveranstalter eine nicht unwesentliche Frage sein - gerade vor dem Hintergrund, dass Pauschalreisen heuer aufgrund des allgemeinen Kostendrucks ebenfalls teurer werden könnten. Was die Nachfrage betrifft, steht dem allerdings entgegen, dass die sommerliche Reiselust generell hoch ist - insbesondere nach den Reiseeinschränkungen der letzten Jahre durch Corona. Wenn es nach einer jüngsten Rundfrage der österreichischen Reisezeitschrift TIP unter Branchenexperten geht, könnten sich die Anzahl der jährlichen Trips verringern oder die Reisedauer verkürzen.
Zusammenfassend könnte also ein "reisender" Neujahrsvorsatz lauten: Weiter reisen - und zwar bewusst, reflektiert und so umweltfreundlich wie möglich. Ob es sich finanziell ausgeht, ist freilich eine andere Frage.
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