Während Herr und Frau Österreicher bei einer Asienreise an Destinationen wie Bangkok, Hongkong oder Singapur denken, ist die Urlaubsdestination Taiwan bislang weniger gefragt. Im vergangenen Jahr besuchten bei mehr als zehn Millionen Auslandsankünften gerade einmal 6.000 Österreicher Taiwan - und das, obwohl gleich zwei Fluglinien Verbindungen von Österreich aus anbieten.
Das touristische Aufkommen zwischen den beiden Ländern ist daher einseitig und besteht aus einem starken Incoming-Verkehr nach Österreich. Der Grund für das große Interesse an unserer Alpenrepublik ist einfach erklärt: Für viele musikverliebte Taiwanesen ist ein Besuch im Land von Mozart, Sängerknaben & Co ein Pflichttermin. Der heimische Tourismus profitiert zunehmend von der starken Nachfrage aus dem kleinen Inselstaat, während Taiwan vom österreichischen Touristen kaum gefragt ist. Seit dem Jahr 2013 haben sich die Ankünfte in Österreich aus Taiwan beinahe verdoppelt und im Jahr 2015 konnte ein Rekordzuwachs von +51 Prozent (130.000 Ankünfte) verzeichnet werden. Über Taiwan als Reisedestination ist in unseren Breiten nicht viel bekannt, obwohl das Land schon seit sehr vielen Jahren enge Beziehungen nach Österreich unterhält und über ein sehr breites Spektrum an interessanten Zielen verfügt.
Ausgangspunkt für jede Taiwan Reise ist die 2,7 Millionen Hauptstadt Taipeh. Schon am Weg vom Flughafen in das belebte Stadtzentrum ist das höchste Gebäude der Stadt - der Taipeh 101 - von weiter Ferne ausmachen. Mit einer Höhe von 527 Metern zählt der Turm sicherlich zu den beeindruckendsten Bauwerken der Stadt. Neben dem bekannten Wolkenkratzer, der natürlich einen unvergesslichen Ausblick über die Hauptstadt und das Umland bietet, lädt Taipeh mit einem Mix aus historischen Tempelanlagen, Nachtmärkten, Museen und Memorials, die an das Leben und Schaffen des Staatsgründers Chiang Kai-Shek erinnern, zu einem längeren Aufenthalt ein.
Der Kunstinteressierte Besucher sollte zumindest einen ganzen Tag in der Hauptstadt für den Besuch des National Palace Museum einplanen. Trotz des großen Besucheransturms sollte man die Geduld aufbringen, zumindest einen Teil der knapp 700.000 Objekte umfassende Ausstellung zu besichtigen. Ein Taipeh-Aufenthalt sollte natürlich auch dem Besuch einer traditionellen chinesischen Oper beinhalten, Gelegenheit dazu bekommt man allabendlich im Veranstaltungszentrum Taipei Eye.
Wer auf der Suche nach einem geschichtsträchtigen Hauptstadthotel ist, sollte je nach verfügbaren Budget, eine Nächtigung im Fünf-Sterne "The Grand Hotel" einplanen. Wie so oft kann die Geschichte eines Hotels für eine Buchung ausschlaggebend sein. Das "Grand Hotel Taipeh" hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die bereits auf das Jahr 1952 zurück geht, als Taiwan auf den touristischen Weltkarten noch gänzlich unbekannt war. Die damalige Gattin des Staatsgründers Chiang Kai-Shek, hatte das Hotel im imposanten chinesischen Palaststil entworfen. Jahrzehntelang hatte die Einrichtung nach Fertigstellung als offizielle Unterkunft für Diplomaten und Staatsgäste gedient. Den Zeiten des kalten Krieges ist es auch zuzurechnen, dass das Hotel in seinem Keller über einen Fluchttunnel verfügt, der bis zu 10.000 Personen Schutz vor Bombenangriffen bot. Im Jahre 1973 wurde das 14-stöckige Gebäude mit seinen 500 Zimmern renoviert und der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Seitdem zählt das "Grand Hotel" mit seinen zahlreichen Spezialitätenrestaurants zu den angesagten Adressen der Stadt.
Taiwan bietet aber weit mehr als nur die Millionenmetropole Taipeh. Knapp eine Autostunde östlich der Hauptstadt liegt die Provinz Yilan, die neben einer imposanten Küstenlandschaft mit Badestränden, auch das architektonisch interessante Regionalmuseum Lan Yang beheimatet. Zahlreiche Spa-Resorts aber auch gut ausgebaute Radwege entlang der wild zerklüfteten Küstenlinie laden zu einem mehrtägigen Aufenthalt ein. Wem mehr nach Bergen und Natur zumute ist, der sollte einen Abstecher in den Norden der Insel machen. In Sichtweite der Hauptstadt liegt der Yangmingshan National Park. Dieser ist einer von neun Nationalparks in Taiwan und bietet auf 113 Quadratkilometer Gesamtfläche eine beeindruckende Berglandschaft mit zahlreichen Wanderwegen die es zu erkunden gilt, sowie heißen Quellen, die auf die vulkanische Aktivität der Insel hinweisen.
Wer mehr an der jüngsten Geschichte Taiwans interessiert ist, der sollte einen Abstecher auf die knapp eine Flugstunde von der Hauptstadt entfernte Insel Kin Men machen. Diese war durch ihre exponierte Lage - sie liegt gerade einmal 2 Kilometer vor der Küstenstadt Xiamen (Festland China) entfernt - lange Zeit heiß umkämpft. Aufgrund der unmittelbaren Nähe der beiden Konfliktparteien kam es nicht nur zu zahlreichen misslungenen Landungsversuchen, sondern auch zu schweren Artilleriegefechten. Höhepunkt des Konflikts waren 44-tägige Kampfhandlungen im Sommer 1958, bei denen das kommunistische China mehr als 478.000 Artilleriegeschoße auf die Insel abfeuerte. Mit 153 Quadratkilometern Gesamtfläche ist die touristisch kaum erschlossene Insel leicht zu erkunden. Führungen zu den ehemaligen Kriegsschauplätzen und War- Memorials zählen Aufgrund der Historie, zum Standartprogramm einer Inselbesichtigung. Das aus Kriegsschrott heutzutage so manch nützliches Küchenwerkzeug hergestellt werden kann, beweist Maestro Wu mit seiner weltbekannten Messermanufaktur. In dritter Generation stellt Meister Tseng-Dong Wu, Messer aus dem besonders harten Stahl der leeren Geschoßhüllen her, die Millionenfach auf der Insel lagern.
Die Insel Kin Men bietet aber noch eine andere Besonderheit. In den vergangenen Jahren entstanden in Zusammenarbeit mit der Regionalregierung zahlreiche private Bed & Breakfast Unterkünfte, die das Ziel haben, die historische Bausubstanz der Insel langfristig zu erhalten. Nachdem auch in Taiwan die Landflucht eingesetzt hat und die historischen Gebäude der traditionellen Dörfer im Nationalpark Kin Men immer mehr verfallen, investieren private Geldgeber in den Aufbau der denkmalgeschützten Häuser und erhalten im Gegenzug das Nutzungsrecht für dreißig Jahre zugesprochen. Der Nächtigungsgast bekommt dadurch die einmalige Gelegenheit geboten, den Alltag der Inselbewohner hautnah mitzuerleben und in die Kultur des Landes einzutauchen. Grace Yang ist eine dieser vielen neuen B&B Betreiberinnen. Sie wurde auf der Insel geboren und ist nach vielen erfolgreichen Jahren als Geschäftsfrau in Taipeh auf zurückgekehrt. Hier betreibt sie nun ihr "Piano Piano" Bed & Breakfast, das Sie liebevoll und mit viel persönlichen Einsatz aus den Ruinen der geschichtsträchtigen Gebäude eines Dorfes aufgebaut hat.
Keine Frage, Taiwan verdient wesentlich mehr Aufmerksamkeit als bisher. Das Land bietet eine Vielzahl an überaus interessanten Destinationen, die es zu entdecken gilt. Geht es nach den bescheidenen Wünschen von Frau Vanessa Shih (Taiwanesische Botschafterin in Wien), so soll sich die Zahl der Taiwan- Besucher aus Österreich im kommenden Jahr verdoppeln.
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